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20.09.05 - Nintendo Revolution: Interview mit Nintendo-Chef "Satoru Iwata"

geschrieben von Marcus Reichle um 11:52 Uhr.

Im SPIEGEL-ONLINE-Interview erklärt Unternehmenschef Satoru Iwata, warum der neue Controller aussieht wie eine Fernbedienung, warum er das Gerät für revolutionär hält - und wie man die Konkurrenz abhängen will.

Das komplette Interview:

SPIEGEL ONLINE: Warum braucht die Welt eine Videospiel-Revolution?

Satoru Iwata: In den letzten 20 Jahren haben sich Videospiele rasant weiterentwickelt, zu einer sehr ausgefeilten Art von Unterhaltung. Gleichzeitig, und als Ergebnis davon, vergrößert sich jedes Jahr die Kluft zwischen denen, die Videospiele spielen, und denen, die das nicht tun. Wenn wir diese Kluft nicht reduzieren, wird es sehr schwer für uns, weiter zu wachsen.

SPIEGEL ONLINE: Wie soll "Revolution" diese Kluft verringern?

Iwata: Wir hielten es für notwendig, die Konfiguration des Controllers zu verändern. Im Moment müssen die Leute den Controller zum Beispiel mit beiden Händen bedienen, mit der rechten und linken Hand gleichzeitig und sehr schnell - das ist eine der größten Hürden für neue Gamer.

SPIEGEL ONLINE: Was ist der Hauptunterschied zwischen dem neuen und einem anderen Controller?

Iwata: Der große Unterschied ist, dass der Revolution-Controller mit nur einer Hand und ganz intuitiv benutzt werden kann, sofern man nur in der Lage ist, das Ding mit einer Hand zu greifen und auf den Fernsehschirm zu richten. Das ist eine Erfahrung, die die Menschen weltweit kennen, weil sie ihre Fernbedienung so halten. Das muss eine große Erleichterung sein, besonders für Nicht-Gamer, dass man gleich weiß, was man tun muss.

SPIEGEL ONLINE: Ist es nicht aufwendig für normale Spieler, die vorher schon Videogames gespielt haben, sich an dieses erstmal seltsame Gerät zu gewöhnen?

Iwata: Was bisher existierende Spiele angeht - die wird man mit dem neuen Controller gut spielen können. Tatsächlich bieten wir ja schon die "Nunchaku"-Erweiterung mit einem Joystick an. Wir haben das schon probiert und festgestellt, dass sich bestehende Software-Titel sogar besser spielen und steuern lassen, wenn man sie auf diese neuen Hardware überträgt, besser als mit dem bisherigen Gamecube-Controller. Unsere Spiele-Schöpfer haben diese Erfahrung schon gemacht. Ich weiß, dass die Leute den Controller erst einmal seltsam finden werden, weil er brandneu ist, völlig anders als herkömmliche Controller. Aber ich glaube, sie werden dieses Gefühl nur ein paar Minuten haben. Sobald sie ihn anfassen und benutzen, werden sie den Controller selbst schnell völlig vergessen.

SPIEGEL ONLINE: Es wird Spiele geben müssen, die speziell für dieses Gerät geeignet sind. Wie werden die aussehen?

Iwata: Ich denke, Hüpfspiele und Angelspiele kann man damit gut kommerzialisieren. Ich kann das beurteilen, weil mir meine Erfahrung als Spieleentwickler das sagt. Wir versuchen auch experimentelle Dinge, etwa mit dem Controller in der Hand so zu tun, als ob er ein Modellflugzeug ist, um das gleiche auf dem Fernsehschirm zu simulieren. Ich glaube, das ist noch ein Beispiel, aus dem ein tatsächliches Spiel werden könnte.

SPIEGEL ONLINE: Wie sie sagten, sind Sie ein Unternehmenspräsident mit Erfahrung als Spieleentwickler, was ungewöhnlich ist. Wie groß war Ihr Einfluss in der Entwicklung des Controllers?

Iwata: Weil ich diese Erfahrung habe, verstehe ich, vor welchen Herausforderungen Entwickler stehen, und was für die Entwicklung nötig ist. Ich habe so viele Erfolge und Misserfolge gesehen, dass ich glaube zu wissen, was wichtig ist, wenn man ein Softwareprodukt macht. Wenn ich einer dieser Präsidenten wäre, die keine Erfahrung als Entwickler oder Ingenieur haben, vielleicht hätte ich eine eher lineare Weiterentwicklung des Controllers befürwortet, wie das andere Präsidenten tun.

SPIEGEL ONLINE: Wie wollen sie andere Entwickler dazu bringen, den Controller so zu nutzen, wie Sie sich das vorstellen?

Iwata: Mit so einem einzigartigen Gerät werden sich die unabhängigen Entwickler natürlich fragen, wie geht das, wie können wir Spiele dafür machen, die auch auf anderen Plattformen funktionieren. Andere sorgen sich vielleicht, dass wir keine Unterstützung von den externen Entwicklern bekommen könnten, weil sie keine Multi-Plattform-Spiele machen können, weil unser Input-Mechanismus so anders ist. Ich kann diese Angst nachvollziehen. Aber in Abhängigkeit davon, was für Spiele, was für Kontrollsysteme sie anbieten, gibt dieses Gerät ihnen intuitiveres und einfacheres Gameplay. Einfach, dadurch, dass sie den Revolution-Controller für andere Spiele anpassen, gibt es ein Riesenpotential, dass diese Spiele besser werden als die Versionen auf den anderen Plattformen.

Iwata: Wenn wir von den "Porting"-Möglichkeiten sprechen, also davon, ein Spiel von einer Konsole auf eine andere zu übertragen - sie müssen das Spiel dafür nicht von Grund auf neu machen. Man braucht nur wenige Leute und wenig Zeit dafür. Ich weiß das, weil wir das bei Nintendo schon ausprobiert haben. Was wir machen müssen, ist uns alle Schlüsseltitel von unabhängigen Entwicklern ansehen und mit spezifischen Vorschlägen kommen. Wir sagen "Sie haben diese bestimmte Software, nehmen wir mal an, sie setzen den Revolution-Controller so oder so ein - damit können Sie Ihr Spiel viel großartiger machen als es vorher war." Wir haben damit schon angefangen. Wir nehmen Kontakt mit den Herstellern von Schlüsseltiteln auf, und je mehr die über den Revolution Controller lernen, desto energischer und mit desto mehr Eigeninitiative arbeiten sie mit Nintendo zusammen.

SPIEGEL ONLINE: Was ist der Grund dafür, dass Sie sich so auf das Kontrollsystem konzentrieren und nicht, wie Ihre Mitbewerber, auf graphische Qualität oder Online-Angebote?

Iwata: Wir unterscheiden zwischen Gamern und Nicht-Gamern. Wir betrachten es als selbstverständlich, dass Nintendo für die jetztigen Gamer sein bestes tut, um sie mit befriedigenden Spielerfahrungen zu versorgen. Aber die Nicht-Gamer, im Ernst, die interessiert es nicht, wie viele Farben die neue Maschine darstellen kann, oder ob sie onlinefähig sein wird. Die Botschaft, die wir senden wollen ist: Videospiele machen Spaß, Videospiele sind etwas für Sie. Und um das möglich zu machen, müssen wir mindestens diese Barriere loswerden, müssen wir sagen: Sie können das. Das interessiert Sie. Fassen Sie es doch mal an. Dieser Controller gibt den Leuten das Gefühl, dass Sie ihn anfassen können. Sie werden ihn anfassen wollen. Weil er so aussieht, als ob er leicht anzufassen ist, also ob man leicht damit spielen kann, weil die Steuerung intuitiv ist. Es soll sie reizen, zu spielen. Diese Theorie ist es, die uns von den anderen unterscheidet.

SPIEGEL ONLINE: Sagen Sie den Leuten auch "Gaming kann billiger sein als bei unseren Mitbewerbern"?

Iwata: Ich denke, wir sollten eine dynamische Preisspanne vorbereiten, aus der die Konsumenten auswählen können. Abhängig von der Größe und dem Volumen des Projekts, wollen wir vielleicht verschiedene Preisklassen. Für Meisterwerke wie "Legend of Zelda" werden wir vielleicht so viel verlangen wie unsere Mitbewerber, aber je nach Software werden wir verschiedene Preise verwenden.

SPIEGEL ONLINE: Die anderen Hersteller setzten stark auf andere Inhalte wie Musik und Filme auf ihren Konsolen. Gibt es auf dem Markt überhaupt noch Platz für eine reine Spielkonsole?

Iwata: Zunächst einmal muss eine Spielmaschine wegen der Anziehungskraft der Spielerfahrung gekauft werden. Sicher werden wir möglicherweise etwas dazugeben, das ihr Leben ein bisschen besser macht, wegen diesem oder jenem, wegen anderer Zutaten als der Spielerfahrung. Je nachdem, welche Firma Sie fragen, werden sie da verschiedene Antworten bekommen, was man noch hinzufügen sollte. Aber vor allem müssen wir den Menschen eine ungewöhnliche und nie da gewesene Erfahrung bieten, die sie mit keiner anderen Plattform bekommen. Und es muss Spaß machen. Wenn wir diese Art von Anreiz nicht bieten, ein Nintendo-Produkt zu kaufen, hat es wenig Sinn, dass wir an Zusatzfeatures, Nicht-Gaming-Features für die Konsole arbeiten, so ist das bei uns. Allerdings hat die "Revolution"-Konsole tatsächlich WiFi-Fähigkeiten, mit denen man ins Internet gehen kann. Außerdem wird sie einen großen internen Flash-Speicher haben. Diese beiden Elemente bieten eine Menge Potential. Wir werden verschiedene Möglichkeiten erkunden, diese Funktionen auszunutzen.

SPIEGEL ONLINE: Wird es zum Start ein neues Mario-Spiel geben?

Iwata: Ich persönlich habe [Mario-Erfinder] Shigeru Miyamoto geben, das zu tun, ein neues Mario-Spiel zu gestalten, aber er hat noch nicht geantwortet. Vielleicht gibt er die Antwort auf diese Frage irgendwann in einem Interview mit Ihnen. Ich finde jedenfalls, als Gamer, dass wir ein neues Mario-Spiel zum Start brauchen.

 

Quelle: spiegel.de

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